Elementarschadenprävention

ELEMENTARSCHADENPRÄVENTION

Der Fachbereich Elementarschadenprävention (ESP) konzentrierte sich im Jahr 2020 auf seine Kernaufgaben: kostenlose Beratungen und Prüfungen des Überschwemmungsschutzes im Baubewilligungsverfahren. Auch konnten einige Bereichsprojekte vorangetrieben werden. Beratungen vor Ort hinsichtlich Objektschutzmassnahmen an bestehenden Gebäuden waren im Berichtsjahr aufgrund der Coronavirus-Pandemie zeitweise nicht möglich. Aufgrund der Coronavirus-bedingten «ausserordentlichen Lage» in der ersten Jahreshälfte waren im Berichtsjahr weniger ESP-Seminare durchführbar als in den Vorjahren.

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Beratungen zu Gebäuden mit erhöhtem Risiko

Bei bestehenden Gebäuden gehen die Spezialisten der ESP aktiv auf die Eigentümerschaft zu. Das betrifft Gebäude, die in der Vergangenheit mindestens einen Schaden hatten, vor allem durch Hochwasser oder Oberflächenabfluss, und einen ungenügenden Schutz aufweisen. Direkt nach einem Schadenereignis ist die Akzeptanz der Umsetzung von Massnahmen am grössten. Ziel ist, die Chancen bei der Schadensanierung zu nutzen und den Schutz vor Naturgefahren sicherzustellen. Bei länger zurückliegenden Schadenfällen zeigt die ESP der Eigentümerschaft den Weg zu einem tragbaren Risiko auf. Die AGV achtet darauf, dass die Massnahmen technisch geeignet und wirtschaftlich sind. Und sie kann bis zu 40 Prozent der Kosten für eine Schutzmassnahme übernehmen.

Im Berichtsjahr beurteilten die Spezialisten der ESP bei 1001 Gebäuden das Elementarschadenrisiko (2019: 892). Wo nötig, empfahlen sie geeignete Objektschutzmassnahmen. In 108 Fällen (2019: 137) gewährte die AGV finanzielle Beiträge für Massnahmen des Objektschutzes, insgesamt CHF 0.589 Mio. (2019: CHF 1.299 Mio.).

Storenschutz «Hagelschutz – einfach automatisch»

Das Schadenpotenzial von Hagelschäden an Storen ist sehr hoch. Daher bewirbt die AGV das Storenschutzsystem «Hagelschutz – einfach automatisch» und übernimmt bis zu 40 Prozent der Installationskosten. Storen, die mit dem System ausgestattet sind, werden bei einer Hagelwarnung in der Region automatisch eingefahren und je nach System nach Entwarnung wieder in den vorherigen Zustand ausgefahren.

Im Berichtsjahr wurden 22 Boxen installiert (2019: 18).

Beiträge an den übergeordneten Hochwasserschutz

Die AGV beteiligt sich gemäss § 10a der Elementarfondsverordnung seit 2016 finanziell an den Kosten von Wasserbauprojekten im Rahmen des übergeordneten Hochwasserschutzes. Die AGV bezahlt 5 Prozent der Investitionskosten von Wasserbauprojekten, die den koordinierten Objektschutz in der Bauzone bezwecken.

Die AGV hat seit 2016 für 35 Projekte Zusicherungen in der Höhe von insgesamt CHF 3.762 Mio. erteilt. Für das Berichtsjahr sind es CHF 0.270 Mio. für 6 Projekte. Die Zahlungen erfolgen nach Abrechnung der Projekte durch die kantonale Verwaltung. Insgesamt hat die AGV bereits CHF 2.523 Mio. an solche Projekte ausgezahlt, 2020 waren es CHF 0.561 Mio.

Guter Schutz für Neu-, An- und Umbauten

Gemäss § 52 des kantonalen Baugesetzes müssen alle Bauten und Anlagen genügend sicher vor Erdbeben, Hochwasser und anderen Naturgefahren sein. Bei Neubauten und bewilligungspflichtigen Nutzungsänderungen sowie Um- und Anbauten in Gefahrengebieten wird ein Nachweis des Überschwemmungsschutzes bei der Baugesuchseingabe gefordert. Die AGV bietet als kostenlose Dienstleistung die materielle Prüfung des Hochwasserschutznachweises (HWSN) für die Baubewilligungsbehörden an. 

Bleibt die AGV-Prüfung im Rahmen der Baubewilligung aus, begutachtet die AGV den Überschwemmungsschutz spätestens bei der Anmeldung zur Bauzeitversicherung. Das Formular HWSN ist Bestandteil der Versicherungspolice. Planenden empfiehlt die AGV, bereits in der Konzeptphase den Schutz vor Naturgefahren miteinzubeziehen. Je früher Naturgefahren bei Bauvorhaben einbezogen werden, umso besser können nötige Schutzmassnahmen gestalterisch integriert und Mehrkosten verhindert werden. Die AGV kann beratend beigezogen werden.

Im Berichtsjahr beurteilten die Spezialistinnen und Spezialisten der ESP 3’826 Gebäudeplanungen im Rahmen von Neu-, An- und Umbauten hinsichtlich Überschwemmungsgefährdung (2019: 3’891). Seit zwei Jahren zieht die ESP die Gefährdungskarte Oberflächenabfluss systematisch für ihre Gefährdungsprüfung bei. Wie im Vorjahr blieb die Anzahl der Prüfungen aufgrund dieser zusätzlichen Beurteilungsgrundlage auch im Berichtsjahr hoch.

Kennzahlen20202019
Bearbeitete Einzelfälle Objektschutz1'001892
Beitragszusagen für Objektschutzmassnahmen108137
Beitragszusagen für Objektschutzmassnahmen (Mio. CHF)0.5891.299
Beurteilung von Neubauten3'8263'891
Vernehmlassungen bezüglich Zonenplanänderungen6983
Beiträge Wasserbau (Mio. CHF)0.2700.561

Die ESP ist in der Ausbildung aktiv

Naturgefahrensicheres Bauen erfordert spezifische Fachkenntnisse. Die AGV bietet daher zielgerichtete Schulungen für Entscheidungsträgerinnen und -träger im Bereich Bau an.

Der Seminarbetrieb fokussierte sich im Berichtsjahr auf die Zielgruppe der Bauverwalterinnen und -verwalter. Das Praxisseminar «Zwei Werkzeuge, ein Ziel: Gefahrenkarte Hochwasser und Gefährdungskarte Oberflächenabfluss» wurde in vier verschiedenen Regionen des Kantons durchgeführt.

Für Bauverwalterinnen und -verwalter, die noch kein AGV-Seminar besucht haben oder ihr Wissen auffrischen möchten, bietet die AGV ein Grundlagenseminar an. Es werden die Grundlagen zur Umsetzung des Überschwemmungsschutzes im Baubewilligungsverfahren vermittelt. Im Berichtsjahr wurde ein Grundlagenseminar durchgeführt (2019: 2 Seminare).

Angehende Bauverwalterinnen und -verwalter unterrichtet die AGV im Rahmen des Diploma of Advanced Studies (DAS) in der Fachrichtung «Öffentliches Gemeinwesen» an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Brugg-Windisch. Während fünf Lektionen lernen die Auszubildenden den Umgang mit Naturgefahren im Baubewilligungsverfahren. Erstmals fand der Unterricht aufgrund der Coronavirus-Pandemie im Berichtsjahr online statt.

Ebenso wichtig wie die Aus- und Weiterbildung für Bauverwalterinnen und -verwalter ist die Ausbildung von Planerinnen und Planern sowie Handwerkerinnen und Handwerkern. Je früher Gefährdungen durch Naturgefahren in Gebäudeplanungen einbezogen werden, desto günstiger und weniger sichtbar sind die Schutzmassnahmen. Auch für Planerinnen und Planer sowie Handwerkerinnen und Handwerker wurde im Berichtsjahr ein Grundlagenseminar durchgeführt (2019: 2 Seminare). Das Thema: «Gebäudeschutz vor Überschwemmung».

Im Lehrgang «Sicherheitsbeauftragte Brandschutz» der AGV werden angehende Sicherheitsbeauftragte nicht nur im Brandschutz unterrichtet, sondern auch für die Anliegen der Elementarschadenprävention sensibilisiert. Der Lehrgang findet einmal jährlich statt und bereitet die Teilnehmenden auf die Zertifikatsprüfung «Sicherheitsbeauftragte/r Brandschutz VKF» vor. 

Wie bereits 2019 fand im Berichtsjahr ein Workshop «Zusammenarbeit mit Partnern» im Rahmen des Fachkurses «Elementarschadenintervention» für Offiziere der Abteilung Feuerwehrwesen statt. Die ESP gewährte einen Einblick in die Themen «Elementarschadenprävention» und «Hochwassermanagement Kanton Aargau».

Ausbildung20202019
Seminarteilnehmende124193
Seminare / Veranstaltungen916

Zwei Gemeindebriefe

Im Berichtsjahr informierte die AGV die Gemeinden in zwei Gemeindebriefen über Aktuelles und Neuigkeiten aus den Themenbereichen der Prävention.

Zufriedenheitsumfrage bei den Gemeinden – letzter Meilenstein in Arbeit

2018 hat die AGV die Gemeinden des Kantons Aargau zu ihrer Einschätzung des Dienstleistungsangebots der Abteilung Prävention befragt. Seither hat die ESP die umsetzbaren Anregungen und Verbesserungsvorschläge in ihre Arbeit integriert. Ein Projekt war die Online-Gefährdungsübersicht. Sie zeigt eine sechsteilige Übersichtskarte der gewünschten Region mit Darstellung der Gefährdung durch Hochwasser und Oberflächenabfluss. Die Gefährdungsübersicht ist seit Oktober 2019 für alle unter www.agv-ag.ch/gk zugänglich.

Die für die Gefahrenbeurteilung wertvollen Karten zur Schadenerfahrung der AGV können aus Datenschutzgründen nur Behördenvertreterinnen und -vertreter zur Verfügung gestellt werden. Die Karten können nur auf konkrete Anfrage bei der AGV bestellt werden. Im Berichtsjahr erarbeitete die AGV zusammen mit dem Kanton einen passwortgesicherten Zugang zu den Karten. Der geschützte Bereich auf der Online-Gefährdungsübersicht wird Anfang 2021 für Behördenvertreterinnen und -vertreter abrufbar sein.

Quicksimulation

Auf der Gefahrenkarte Hochwasser und der Gefährdungskarte Oberflächenabfluss sind Kleinstrukturen wie zum Beispiel Randsteine, Mauern und Trottoirgefälle kaum erfasst. Für die Beurteilung von Fliesswegen ist die Wirkung solcher Kleinstrukturen aber oftmals entscheidend. Deshalb sind die Spezialisten der ESP bei der Beratung von Eigentümerinnen und Eigentümern überschwemmungsgefährdeter Gebäude oftmals auf die Interpretation ihrer visuellen Eindrücke vor Ort oder auf das aufwendige Erfassen von Höhenmesspunkten angewiesen.

Im Berichtsjahr wurde das Projekt «Quicksimulation» ausgearbeitet. Diese Simulationsmethode bietet eine ökonomische und einfache Lösung für die ESP-Beratung. Mit einem 3D-Stativ-Scanner wird die Umgebung von vier oder mehr Standorten aus erfasst. Die Methode wird als Vermessungstechnik wahrgenommen und wird deshalb voraussichtlich auf eine grosse Akzeptanz in der Bevölkerung treffen. Die Scandauer pro Standort liegt bei ungefähr drei Minuten, bei einer Genauigkeit im Bereich von zwei Millimetern. Der Aufwand eines Spezialisten der ESP vor Ort liegt damit zwischen 30 und 45 Minuten.

Eine Simulation beinhaltet in der Regel die Ist-Situation des Abflussszenarios gemäss Gefahrenkarte Hochwasser und Gefährdungskarte Oberflächenabfluss sowie die Soll-Situation mit einem Schutzszenario. Die Simulation erfolgt bei einem externen Partner der AGV. Die AGV erhält als Ergebnis einen Videoclip und eine Fliesstiefenkarte pro Szenario.

Die Testphase und der produktive Einsatz sind für das Jahr 2021 geplant.

Die AGV sieht einen grossen Nutzen in der Anwendung dieser Methode. Den Kundinnen und Kunden wird die bestmögliche Gefährdungsanalyse aufgezeigt und so eine bessere Beratung durch die Fachspezialisten der ESP ermöglicht. Fehlinvestitionen aufgrund fehlerhafter Lagebeurteilung werden minimiert. Damit festigt die AGV ihre Bedeutung als Kompetenzzentrum in der Präventionsberatung.

Massnahme «Koordination Entwässerung»

Die Themenfelder Oberflächenabfluss, Hochwasser und Siedlungsentwässerung sind eng verknüpft. Unter den zuständigen Stellen fehlt heute oft die Koordination. Die Synergien sollen besser genutzt werden. Die Abteilung für Umwelt des kantonalen Departements Bau, Verkehr und Umwelt berief deshalb im Berichtsjahr eine Startsitzung zum Projekt «Koordination Entwässerung» ein. Vertreterinnen und Vertreter der involvierten Fachbereiche diskutierten die aktuelle Praxis, Erwartungen und Bedürfnisse sowie Problempunkte. Die Informationen der einzelnen Fachbereiche wurden zusammengetragen und verarbeitet. Die AGV konnte mit ihrer langjährigen Erfahrung bezüglich dieser Thematik einen wertvollen Beitrag leisten. Eine Praxishilfe für zukünftige Projekte wird im Jahr 2021 präsentiert. Ziele sind eine ganzheitliche Betrachtungsweise und Massnahmenplanung für zukünftige Projekte sowie die optimale Koordination von bestehenden Vollzugsaufgaben.

Erdbebenrisikomodell Schweiz

Erdbeben stellen auch für die Schweiz ein Risiko dar. Die Schweiz verfügt über moderne Erdbebenmessnetze und Produkte für die Erdbebenüberwachung, die Alarmierung und die Verbreitung von Meldungen bei Erdbebenereignissen. Auch besteht ein landesweit einheitliches Erdbebengefährdungsmodell, das die Erdbebengefahr aufzeigt. Was bislang fehlt, ist ein Erdbebenrisikomodell, um die Schäden aus möglichen Erdbebenszenarien zu bestimmen. Das Erdbebenrisiko wurde bisher vor allem qualitativ eingeschätzt. Analysen bauen auf privaten und nicht allgemein zugänglichen Modellen von Rückversicherungen und Versicherungsbrokern auf. Zwischen 2013 und 2016 hat das Bundesamt für Umwelt (BAFU) mit dem Schweizerischen Erdbebendienst (SED) deshalb einen Projektplan für die Erstellung eines Erdbebenrisikomodells für die Schweiz erarbeitet. Bis 2022 soll ein Erdbebenrisikomodell für die Schweiz unter Federführung des SED und in Zusammenarbeit mit dem BAFU, dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz, Versicherungen und ausgewählten Kantonen entwickelt werden. Die AGV vertritt im Fachausschuss den Interkantonalen Rückversicherungsverband und begleitet die Fachgruppe in der Entwicklung eines Erdbebenrisikomodells für die Schweiz.

Normative Grundlagen für die Schutzziele aller Naturgefahren

Seit dem 1. Januar 2020 ist die Wegleitung SIA 4002 «Hochwasser – Wegleitung zur Norm SIA 261/1» veröffentlicht. Die Wegleitung erläutert mithilfe von Abbildungen, Fotos und Beispielen die Anwendung der Norm SIA 261/1, Kapitel «Hochwasser». Sie dient als Hilfestellung für Auswahl, Planung und Bemessung von Massnahmen zum Hochwasserschutz am Objekt oder in dessen naher Umgebung. Die Publikation dieser Wegleitung ist ein weiterer wichtiger Schritt hin zur Regelung der Widerstandsfähigkeiten der Gebäude hinsichtlich Überschwemmungsgefahr.

Die Publikation der revidierten Norm 261/1 «Einwirkungen auf Tragwerke – Ergänzende Festlegungen» am 1. November 2020 markiert einen Meilenstein. Zum ersten Mal in der Schweizer Baunormen-Geschichte besteht eine normative Vorgabe für die Schutzziele bei allen Naturgefahren. Der Schutz vor Sturm, Erdbeben und Schnee ist in den Baunormen bereits seit Längerem festgehalten. Neu sind nun auch die Schutzziele bei allen gravitativen Naturgefahren wie zum Beispiel Hochwasser, Rutschung und Steinschlag sowie die Schutzziele bezüglich Oberflächenabfluss und Hagel einheitlich definiert. In Zukunft, mit der verbreiteten Anwendung in der Baubranche, werden diese Vorgaben als Regeln der Baukunde gelten.

Die Inhalte dieser beiden Dokumentationen sind in enger Zusammenarbeit mit Fachleuten der kantonalen Gebäudeversicherungen erarbeitet worden. Die AGV hat massgeblich an den Inhalten mitgewirkt.

Die AGV engagiert sich aktiv in nationalen Gremien

Die Spezialisten der AGV arbeiteten auch im Jahr 2020 in wichtigen nationalen Kommissionen an neuen, schweizweiten Standards der ESP: in den Kommissionen Elementarschäden und Ausbildung der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen sowie in der Projektsteuerung Schutz vor Naturgefahren.

Örtliche Verteilung der Hagelschäden 2020

Hagelschaeden 2020

Örtliche Verteilung der Sturmschäden 2020

Sturmschaeden 2020

Örtliche Verteilung der Überschwemmungsschäden 2020

Ueberschwemmungsschaeden 2020