EIN NEUES BESCHAFFUNGSKONZEPT FÜR DIE AARGAUISCHEN FEUERWEHREN

Während mehrerer Jahre äusserten die Aargauer Gemeinden gegenüber der AGV den Wunsch, die Beschaffungsprozesse von Feuerwehrmaterial und Feuerwehrfahrzeugen zu optimieren und kostengünstiger zu gestalten. Um diesem Wunsch gerecht zu werden und eine praktikable Umsetzung zu erreichen, führte die AGV im Frühjahr 2016 eine Umfrage bei den Gemeindeammännern und den Feuerwehrkommissionen des Kantons durch. Die Umfrage ergab eine breite Zustimmung sowohl zu gemeinsamen Fahrzeugbeschaffungen als auch zu einer teilweise zentralisierten Materialbeschaffung.

Auf die Bedürfnisse der Gemeinden zugeschnitten

Für die Ausarbeitung eines neuen Beschaffungskonzepts wurde eine Projektgruppe ins Leben gerufen, die sich zusammensetzte aus Fachpersonen der Abteilung Feuerwehrwesen der AGV, aus Vertretern der Gemeindeammänner-Vereinigung sowie Feuerwehrangehörigen aus den verschiedenen Feuerwehr-Grössenklassen. Die Projektgruppe arbeitete ein Beschaffungskonzept aus, das auf die Bedürfnisse der Gemeinden zugeschnitten ist. Das Konzept trägt zu einer allgemeinen Effizienzsteigerung bei den Beschaffungen bei und wahrt gleichzeitig einen hohen qualitativen Standard im Beschaffungswesen.
So zeichnet sich das neue Konzept gegenüber dem bisherigen Beschaffungsprozess durch signifikante Vorteile und Vorzüge aus:

  • Die Beschaffungskosten werden sinken, was sich substanziell vor allem bei den Fahrzeugen auswirkt.
  • Die Gemeinden und die Feuerwehren werden von administrativem Aufwand entlastet.
  • Die Feuerwehren können sich wieder vermehrt auf ihre Kernaufgaben konzentrieren.

Das neue Beschaffungskonzept gliedert sich in drei Teilprojekte:

  • Eine prozessgeführte und mögliche gemeinsame Fahrzeugbeschaffung
  • Eine kostenoptimierte und effizientere Beschaffung von allgemeinem Feuerwehrmaterial
  • Beschaffung der Brandschutzbekleidung durch die AGV und Gebrauchsüberlassung an Gemeinden («Miet»-Konzept)

Die Umsetzung der ersten beiden Teilprojekte fällt in den Kompetenzbereich der AGV. Eine Änderung der gesetzlichen Vorgaben ist deshalb nicht notwendig. Jedoch erfordert das neue Modell für die Beschaffung der Brandschutzbekleidung eine Anpassung des Gebäudeversicherungsgesetzes und in der Folge der Feuerfondsverordnung (respektive neu Interventionsfondsverordnung). Mit der Gesetzesanpassung wird die Möglichkeit geschaffen, Beiträge an die Ausrüstung von Feuerwehren auch indirekt zu leisten. So kann die AGV die Brandschutzbekleidung zentral auf ihre Kosten beschaffen und diese dann den Gemeinden zu vergünstigten Konditionen zum Gebrauch überlassen.

Am Grundsatz von § 4 Abs. 1 des Feuerwehrgesetzes, wonach die Gemeinden für die Organisation der Feuerwehr und die nötigen Lösch- und Rettungseinrichtungen verantwortlich sind, wird nichts geändert. Ebenfalls ist der Kanton von der Gesetzesrevision materiell nicht betroffen.

Zwei der drei Teilprojekte sind heute bereits ganz oder teilweise umgesetzt. Der Zugang zu einem Webshop für die kostenoptimierte und effizientere Beschaffung von allgemeinem Feuerwehrmaterial besteht für die Aargauer Feuerwehren seit dem 17. August 2018. Ausgearbeitet wird derzeit der Workflow für die prozessgeführte Fahrzeugbeschaffung. Dieser wird ab Mitte 2019 über die bereits bestehende Administrationsplattform der Feuerwehren (LODUR) zugänglich gemacht. Die erste Botschaft bezüglich der Umsetzung des «Miet»-Konzepts für die Brandschutzbekleidung gelangt voraussichtlich im ersten Quartal 2020 an den Grossen Rat. Unterstützt der Grosse Rat das Anliegen der Gemeinden nach Optimierung und Entlastung, wird die Einführung des «Miet»-Konzeptes per 2022 erfolgen.

Nachfolgend wird der bisherige Beschaffungsvorgang kurz skizziert und werden die drei Teilprojekte im Detail vorgestellt.

Heute erfolgt die Beschaffung in den Aargauer Feuerwehren individuell. Die Beschaffung von Fahrzeugen wird zu einem prozentualen Anteil (zwischen 20 Prozent und 65 Prozent, je nach Höhe der durchschnittlichen Feuerwehrabgabe pro Einwohner und Gemeinde), jene der Ausrüstungen mit einer jährlichen Pauschale (berechnet auf dem nötigen Investitionsbedarf) von der AGV mitfinanziert. Die individuelle Beschaffung führt zu einem hohen Personalaufwand in den Gemeinden. Insbesondere die Beschaffung von teuren Fahrzeugen hat ein grosses persönliches Engagement zur Folge, wobei in einem Milizsystem die Angehörigen der Feuerwehr ihre Leistungen in der Freizeit erbringen. Auch wurden bisher Möglichkeiten der Einsparung durch gemeinsame Beschaffungen kaum wahrgenommen.

Konzept

Um in den Gemeinden den Personalaufwand, die Lagerhaltung und die Anschaffungskosten zu optimieren, wurde ein Konzept entwickelt, bei dem die AGV als «Vermieterin» der Brandschutzbekleidungen agiert. Dafür kauft die AGV Brandschutzbekleidung (Jacke, Hose, Handschuhe, Schuhwerk) ein und betreibt in Zusammenarbeit mit einer Partnerinstitution ein Logistikzentrum für Lagerung und Vertrieb. Die AGV stellt pro Angehörigen der Feuerwehr und gegen ein jährliches Entgelt einen Satz Bekleidung zur Verfügung. Die bisher den Gemeinden bezahlte jährliche Pauschale für die Ausrüstung der Feuerwehr wird um den Anteil «Brandschutzbekleidung» gekürzt. Die Pauschale fällt damit rund 40 Prozent tiefer aus. Dieser Betrag geht den Gemeinden aber nicht verloren, sondern wird an die «Miete» angerechnet. Die Brandschutzbekleidung bleibt Eigentum der AGV. Die optische Unterscheidung der Organisationen erfolgt via Patches.


Weitere Erläuterungen

Die Brandschutzbekleidung ist eine der grössten Budgetpositionen des allgemeinen Feuerwehrmaterials. Eine Umfrage der AGV hat gezeigt, dass es bei Gemeinderäten und Feuerwehren eine grundsätzliche Zustimmung zum neuen Konzept gibt. Durch eine Gebrauchsüberlassung der Bekleidung müssen die Feuerwehren diese nicht mehr selbst lagern und bewirtschaften. Defekte Bekleidungen werden ohne Mehrkosten ausgebessert oder ersetzt. Ausserdem erhöht sich die Budgetsicherheit für die Gemeinden. Entscheidet sich eine Gemeinde gegen das Konzept, kann sie nach wie vor eine eigene Bekleidung beschaffen. Allerdings verliert sie dann die Kostenbeteiligung der AGV. Die um die Kosten der Brandschutzbekleidung reduzierte Jahrespauschale wird nicht kompensiert. Für die Einführung des neuen Konzepts bzw. der Reduktion der Jahrespauschale soll aber eine achtjährige Übergangsfrist gelten. Die Reduktion der Pauschale wird erst ab «Miet»-Beginn wirksam, in jedem Fall aber spätestens nach acht Jahren. Damit wird auf jene Gemeinden Rücksicht genommen, die erst kürzlich ihre Brandschutzausrüstungen ersetzt haben.
Die Beschaffung der Brandschutzbekleidung wird nicht mehr über eine direkte Abgabe an die Gemeinden von der AGV finanziell unterstützt, sondern indirekt über die Vergünstigung des «Miet»-Preises. Dafür braucht es eine Gesetzesänderung und eine Anpassung der entsprechenden Fondsverordnung.
Eine Umsetzung des Konzepts ist per 2022 vorgesehen.

Konzept

Will eine Feuerwehr ein neues Fahrzeug beschaffen, stehen grundsätzlich drei Szenarien zur Verfügung. Die Feuerwehr kann die Beschaffung in einem Schritt für Schritt gesteuerten Workflow-Prozess über die Feuerwehrplattform LODUR durchführen, wobei die Gemeinde für die Submission selber zuständig bleibt. Die Gemeinden können die AGV aber auch mit der Submission beauftragen – von der Ausschreibung bis zur Offertöffnung. Diese Dienstleistungen der AGV sind kostenlos. Des Weiteren bleibt auch eine individuelle Beschaffung der Fahrzeuge durch die Gemeinden ohne Inanspruchnahme der Dienstleistungen der AGV möglich. Allerdings muss in jedem Fall die Beschaffung über die digitale Workflow-Plattform der AGV initiiert werden. Unabhängig von der Szenarienwahl erhalten die Gemeinden immer den ihnen zustehenden finanziellen Beitrag der AGV.


Weitere Erläuterungen

Ziel ist, dass die AGV alle Beschaffungen von Fahrzeugen, die gemäss Submissionsrecht öffentlich ausgeschrieben werden müssen, für die Gemeinden koordiniert und durchführt. Dies betrifft vor allem die Tanklöschfahrzeuge. Eine gemeinsame Beschaffung reduziert die Kosten wesentlich. Kleinere Fahrzeuge sind in der Beschaffung weniger komplex, und diese kann von den Gemeinden frei oder über den digitalen Workflow der AGV durchgeführt werden. Mindestens das Gesuch um finanzielle Beteiligung der AGV muss aber über den digitalen Workflow erfolgen. Der digitale Workflow führt Schritt für Schritt durch die Beschaffung und stellt alle notwendigen Dokumente und Formulare für jedes Fahrzeug zur Verfügung. Es wird daher für eine Gemeinde wenig Sinn machen, die Beschaffung auf einem anderen Weg durchzuführen. Die Aufschaltung des Workflows für die Gemeinden ist für Mitte 2019 geplant. Die AGV stellt digitale Handbücher und detaillierte Pflichtenhefte für alle Fahrzeuge zur Verfügung.
Mit dem neuen Beschaffungskonzept sollen die Gemeinden insbesondere administrativ entlastet werden. Denn die Erstellung eines Pflichtenheftes sowie die öffentliche Ausschreibung, gestützt auf die submissionsrechtlichen Grundlagen, sind für die Gemeinden mit einem hohen Personalaufwand verbunden.

Konzept

Seit dem 17. August 2018 haben alle Aargauer Feuerwehren die Möglichkeit, ihr allgemeines Feuerwehrmaterial im Logistikzentrum der Gebäudeversicherung Kanton Zürich (GVZ) einzukaufen. Der Zugang erfolgt über einen Webshop. Bestellte Artikel werden versendet oder können direkt im Logistikzentrum in Bachenbülach abgeholt werden.


Weitere Erläuterungen

Der «Aargauer Zugang» zum Webshop des Logistikzentrums der GVZ bewirkt für die Gemeinden Kosteneinsparungen sowie eine Reduzierung des personellen Aufwands. Das Angebot im Webshop überzeugt durch ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Ausserdem wird im Webshop nur zertifiziertes Feuerwehrmaterial verkauft. Die AGV und die GVZ haben eine Vereinbarung abgeschlossen, die den Zugang der Gemeinden zum Webshop regelt, die Lieferbarkeit des Feuerwehrmaterials klärt, Datenschutzbestimmungen enthält und den Erfahrungsaustausch ermöglicht. Die Beschaffung selbst erfolgt direkt durch die Gemeinden. Für den Bezug von Material sind sie die Vertragspartnerinnen der GVZ. Mittlerweile nutzen bereits 92 Aargauer Feuerwehren den Zugang. Zudem haben vier weitere Kantone einen Webshop-Zugang für ihre Feuerwehren eingerichtet.


Ziel des neuen Beschaffungskonzepts

Mit dem neuen Beschaffungskonzept und seinen drei Teilprojekten werden weder Sparmassnahmen noch Neu- oder Umorganisationen des Feuerwehrwesens verfolgt. Ziel des neuen Beschaffungskonzeptes sind die administrative Entlastung der Gemeinden sowie Einsparungen durch Mengeneffekte. Dies auch, um in den Gemeinden und den Feuerwehren Ressourcen schonen zu können, die zur Erfüllung der Kernaufgaben der Feuerwehr gebraucht werden. Des Weiteren erlaubt das Beschaffungskonzept eine Stärkung der interkantonalen Zusammenarbeit zwischen den Gebäudeversicherungen.

Neues Beschaffungskonzept ist auch ein Zugeständnis ans Milizsystem

Die Aargauer Gemeinden haben sich in einer Umfrage im Jahr 2016 klar für das Milizsystem der Feuerwehren ausgesprochen, auch für die Zukunft. Unsere Feuerwehrleute widmen sich dem Dienst an der Gesellschaft mit viel Herzblut und Leidenschaft. Angehörige der Feuerwehren lernen auch viel für das private und das berufliche Leben. Trotzdem wird es künftig nicht einfacher werden, engagierte Personen zu finden, welche ihre Freizeit für die Feuerwehr einsetzen. Durch administrative und zeitliche Entlastung leistet das neue Beschaffungskonzept daher auch einen Beitrag zum Erhalt dieses Systems.

Die Gemeindeautonomie bleibt gewahrt

Feuerwehren, die einen autonomen Weg gehen wollen, können das tun. Sie haben aber einen Preis dafür aufzuwenden. Die Gemeinden bleiben in ihrer Beschaffungspolitik weiterhin frei, müssen aber finanzielle Nachteile in Kauf nehmen, wenn sie sich für Sonderlösungen entscheiden. Bei der Umsetzung des neuen Beschaffungskonzepts stand die AGV in stetem Kontakt mit den Gemeinden und den Feuerwehren des Kantons Aargau. Das neue Konzept setzt die Wünsche und Forderungen aus den Gemeinden um. Aus diesem Grund hofft die AGV, dass auch der Regierungsrat beziehungsweise der Grosse Rat seine Zustimmung für ein neues Beschaffungswesen im Kanton Aargau gibt.